Dienstag, 11. Dezember 2012

Klinikzeit Part 1

Je öfter ich darüber nachdenke, umso mehr bestätige ich mich selbst, dass mein erster Klinikaufenthalt für mich persönlich im therapeutischen Sinne Zeitverschwendung war. 
Man hat zu schnell versucht mich im voraus zu diagnostizieren und hat mich nach Schema "F" behandelt. 
Am Anfang hieß es, ich hätte eine normale Agoraphobie inklusive Panikstörung. 
Nur komisch, dass die therapeutischen Mittel bei mir nicht so fruchteten wie es die 0-8-15 Behandlung erwartete. 
So gingen die ersten Monate mit Schikane, Einsamkeit, Zorn und Konfrontation mit mir selbst um.
Ich habe gelernt zu misstrauen und Wut in mir handeln zu lassen.
Ich war nicht zufrieden mit mir, meiner Umgebung und meinem Leben. Suizidale Gedanken wurden mir unterstellt und wurden mit der Zeit immer attraktiver, da man mich für das "Versagen" einer Angstübung mit Isolation bestrafte.
Ich musste teilweise 6mal am Tag eine Strecke von 1.5km laufen um im Aldi eine Packung Kaffee für das Schwesternzimmer zu holen. Wenn ich mich schikaniert gefühlt habe und mich weigern wollte drohte man mir mit dem Rauswurf aus der Klinik und erwähnte im gleichen Atemzug, dass das meine eigene Chance wäre Gesund zu werden. 
Während der Angstübungen musste ich eine Art Protokoll ausfüllen. Die sogenannte "Angstkurve". 
Das Prinzip ist relativ einfach. Ich habe eine Tabelle mit % und Zeitangabe und muss von einer Skala von 0-100 minütlich in 10er Schritten die höhe meiner Momentanen Angsteinstufung einzeichnen, sodass später ein Kurvendiagramm entsteht. 
hier die grafische Darstellung:





















Sinn der Angstkurve ist es, dass der Patient, in dem Fall ich, ein besseres Verständnis für den Verlauf der Angst bekommt und sieht, wann die Angstübung vorbei ist. 
Die Aufgabe lautet in jedem Fall, die Situation erst dann zu verlassen, wenn die Angst geringer ist als am Anfang. 
Die Grafik stellt eine übliche und "optimale" Angskurve dar. 
Doch teilweise, begannen meine Situationen schon bei 20%, da dies eine Grundanspannung bei mir ist und die Angst auch nie geringer ist. Ich wache auf und habe Angst und fühle mich unsicher. Deswegen gingen die Angstübungen teilweise Stunden, weil die Angst nie unter den Anfangswert sank.
Oft habe ich mich mit meinem Therapeuten und den sogenannten PEDs (Pflege- & Erziehungsdienst) gestritten, weil es nicht zu deren Wünschen verlief. Ich vertraute ihnen weniger und sie mir auch nicht. Es ging soweit, dass ich Fotobeweise machen musste, damit die sehen, dass ich wirklich in den Läden war. Immer schön eine Tageszeitung mit Datum und Schlagzeile...
Wie schon erwähnt musste ich das teilweise 6 mal am Tag machen, wenn mein Therapeut es so wollte. Ich war am Ende meiner Kräfte und hatte zu nichts Kraft. Mein Tagesablauf sah so aus:

 6,00Uhr     Angstübung: in den angrenzenden Wald stellen und aushalten

 7,00Uhr     Frühstück und anschließend isolierte Zimmerzeit
 8,00Uhr     Klinikschule bis 11.30Úhr
11,30Uhr    isolierte Zimmerzeit
12,00Uhr    Mittagessen und anschließend isolierte Zimmerzeit
12,15Uhr    Angstübung: ALDI (Weg hin und zurück je 1,5km)
13,00Uhr    Angstübung durfte beendet werden, Rückweg zur Klinik isolierte Zimmerzeit
14,30Uhr    Angstübung: Bus fahren (je 20 Minuten hin und zurück)
15,00Uhr    isolierte Zimmerzeit
16,00Uhr    Zwischenmahlzeit wenn Hunger
16,15Uhr    isolierte Zimmerzeit
16,30Uhr    Angstübung: In die Caféteria des Hauptgebäudes und aushalten
17,30Uhr    Angstübung durfte beendet werden
17,35Uhr    isolierte Zimmerzeit
18,00Uhr    Abendessen
anschließend gab es 2 Optionen:
Entweder ich habe

a) Alle Angstübungen erfolgreich und zur Zufriedenheit des Teams beendet, dann durfte ich bis 21Uhr (22Uhr am Wochenende) in den Gruppenraum und mit den anderen reden und Fernsehen.
b) Eine oder mehrere Angstübungen sind nicht erfolgreich gewesen (früher abgebrochen) und sind nicht zur Zufriedenheit des Teams verlaufen, dann galt wieder isolierte Zimmerzeit.

Während der isolierten Zimmerzeit musste ich alleine in meinem Zimmer verbringen und durfte nur auf Toilette, wenn ich wirklich dringend musste. Man durfte nicht mit mir reden oder mich beschäftigen. Wenn ich duschen wollte, musste ich mir die "Gruppenzeit" verdienen und dann durfte ich in der Zeit duschen und mich rasieren.
Vorher war es nicht erlaubt.
Zwischendurch hatte ich jedoch spontan noch  einmal die Woche "Einzel-Ergo" und Gruppensport.

Ich fühlte mich eher als Häftling anstatt als Patient. 
Sobald mein 18.Geburtstag erreicht war, nahm ich mir das recht, selbst entscheiden zu dürfen, packte meine Sachen und bin raus aus der Klinik. Ich war nie glücklicher zu Hause zu sein und kann sagen, dass das mit die schwersten Monate meines Lebens waren...