Samstag, 16. März 2013

Angehörigen-Post (Wie erlebe ich die Krankheit aus meiner Sicht?) 3/4


Hallo liebe Leser,
ich bin Mikes Freundin Tiffy, ich bin seit dem 16.06.2012 mit ihm zusammen. Seitdem habe ich schon einige Hochs und Tiefs mit ihm durchlebt. Einige waren relativ gut und „leicht“ zu überwinden andere haben mich, sowie auch ihn viel Kraft und Ausdauer gekostet. Aber ich werde erst einmal von Anfang an von meiner Zeit mit ihm berichten.

Sein Bruder ist schon seit einigen Jahren mit meiner Cousine verheiratet, demnach kennt man sich vom Sehen und Erzählen her schon etwas länger (so habe ich dann auch zum ersten Mal davon erfahren, dass er psychisch nicht ganz auf der Höhe ist) aber so richtig kennen gelernt haben wir uns erst im März 2012, bei dem Umzug seines Bruders und meiner Cousine. Die ersten richtigen „Gespräche“ kamen zwischen uns zustande als wir das Hochbett unseres Neffen zusammen bauten. Anfangs waren es nur doofe Kommentare und witziges Geplänkel zwischen uns und uns fiel von vornherein auf, dass wir in Sachen Humor wohl doch schon auf der selben Wellenlänge sind.
Am Ende des Tages haben meine Cousine, Mike und ich uns zusammengesetzt und ein wenig über seine Krankheit gesprochen. Da ich an einer mittelstarken bis starken Depression gekoppelt mit einer Angststörung leide, weiß ich sehr gut, wie er sich in Angstsituationen und Panikanfällen fühlt und was er durch macht. So war das Eis in dem Thema dann auch nicht mehr ganz so hart zu brechen.

Nach dem Umzug war dann eine Weile erst einmal komplette Funkstille zwischen uns. Durch einen doofen Post von mir bei Facebook haben wir den Kontakt wieder aufgenommen und beschlossen, dass ich ihn auf jeden Fall mal in Wuppertal besuchen kommen sollte. Wir haben die ganze Nacht so gut wie durchgeschrieben und sind dann spontan auf die Idee gekommen das am nächsten Tag doch gleich zu machen. Gesagt getan, Mike hat mit seinen Eltern dann seinen Bruder und meine Cousine Besucht und mich dann auf dem Rückweg mit nach Wuppertal genommen. Wir haben uns einige Filme angeschaut und die Stimmung war sehr befremdlich. In der Zeit in der wir Filme schauten, habe ich dann auch das erste Mal bewusst eine leichte Panik von ihm mitbekommen. Da ihm das aber unangenehm vor mir war, hatte er diese auch wieder schnell im Griff.
Diese Treffen haben sich von Wochenende zu Wochenende gehangelt, bis ich mich dann von meinem damaligen Freund getrennt habe, mit dem ich in einer WG zusammen wohnte. Dann kam ich auch unter der Woche und blieb meist bis Sonntag gleich. In der Zeit war auch ein guter Freund von Mike für einige Wochen da (Fia = der zweite Gastpost) mit dem ich mich sehr gut verstand.
In der Zeit häuften sich die Panikattacken von Mike und ich gab mein bestes ihn dadurch zu begleiten. Dadurch festigte sich das Vertrauen und ich wurde zu einer festen Bezugsperson für ihn, gerade auch in solch schwierigen Situationen. Oft hat er mir per Handy geschrieben wenn es ihm schlecht ging, wenn es jedoch gar nicht mehr ging bekam ich dann auch Anrufe von ihm wo ich ihm dann viel Mut zugesprochen habe und versuchte ihn zu beruhigen und mit irgendwelchen doofen Storys aus meinem Leben von der ganzen Panik abzulenken. Das hat überraschenderweise oft sehr gut geklappt.

Nachdem er sich dann von seiner Langjährigen Freundin getrennt hatte und somit eine wichtige Bezugsperson verlor, kam ich immer mehr ins Spiel und letztendlich sind wir dann auch zusammen gekommen. Von nun an war ich komplett in seinem Leben involviert, habe meine ganze Freizeit bei ihm in Wuppertal verbracht.
Anfangs kam ich noch sehr gut mit seinen Panikattacken zurecht, ich bin einmal am Tag eine große Runde mit ihm und dem Hund Janka gegangen, sodass er auch mal etwas anderes sieht außer seinem Zimmer, der Wohnung und dem Garten. Janka genoss diese Zeit sichtlich, sie wurde immer zutraulicher und rastete beim Spielen mit Mike regelrecht aus. Ich achtete penibel darauf, dass er seine Medikamente nimmt, er sträubte sich sehr dagegen. Ich musste ihn immer und immer wieder dazu überreden sie zu nehmen und habe ihm dann auch mehr Mals klar machen müssen das ich noch lange nicht wieder so gut zurecht wäre wenn ich damals die Medikamente nicht genommen hätte. Er hat es trotzdem immer wieder auf die lange Bahn geschoben und ich habe ihn mehrmals Täglich daran erinnern müssen, bis es dann nach einigen Wochen einigermaßen lief. Nach der Medikamenteneinstellung ging es ihm dann auch langsam besser. Wir konnten zusammen in die Stadt gehen, wenn auch nur kurz und mit seiner Mutter, oder mal etwas länger mit dem Hund rausgehen. Er hat mehr und regelmäßiger essen können, so hat er dann auch einige Kilos mehr auf die Rippen bekommen und sah äußerlich nicht mehr so abgemagert und krank aus. Durch diese Besserungen in seinem Leben sah ich dann auch, dass ich bis hier soweit vieles richtig gemacht hatte. Die richtige Mischung von „Zuckerbrot und Peitsche“ hat es dann wohl doch gemacht. Auch von seinen Eltern bekam ich oft zu hören, dass ich Mike sehr viel helfe und eine wirkliche Unterstützung für ihn bin.
Weil das ganze so gut geklappt hat, haben Mike und ich uns überlegt, dass er mal für eine Nacht mit mir nach Paderborn kommt. Natürlich haben wir uns alle Möglichkeiten offen gehalten falls es nicht klappen sollte. Seine Mutter stand die Nacht lang in den Startlöchern falls er anruft und sagt, dass es nicht geht. Es hat überraschenderweise sehr gut funktioniert, was mich sehr gefreut hat. Mike war dem gegenüber nicht ganz so glücklich, weil er immer noch auf den „Vernichtenden Schlag namens Panikattacke“ gewartet hatte.
Das ganze haben wir dann nach einigen Wochen wiederholt und im Herbst 2012 hat er seine Sachen gepackt und ist für einige Wochen bei mir geblieben. Von dem „Wir probieren es mal aus“ ist etwas Festes geworden und sobald meine jetzige Mitbewohnerin auszieht, zieht Mike offiziell nach Paderborn in meine WG. Mit dem raschen Auszug von Zuhause hat keiner gerechnet, nicht einmal Mike selbst.
In der Eingewöhnungsphase hier in Paderborn ging es dann Phasenweise mit seinen Panikattacken und Angstzuständen richtig zur Sache. Er fing wieder an seine Medikamente unregelmäßiger zunehmen, bis er schlussendlich keine mehr genommen hat. Da ihm die Tabletten wie Steine im Magen lagen und ihm schlecht davon geworden ist, konnten diese auch nicht wirklich zu seiner Genesung beitragen.
Zwischenzeitlich ist mein Exfreund, der noch mit in der WG wohnte, mehrere Male ausgerastet, hat uns mit Schlägen gedroht und, dass er uns vom Balkon schubsen will und solche Sachen. Solche Situationen haben Mike natürlich stückweise aus der Bahn geworfen. Seine Panikanfälle wurden immer schlimmer, haben länger angedauert und wurden häufiger. Das war dann eine auch eine Zeit in der mich die Panikattacken und die ständige Angst sehr angestrengt haben, teilweise waren sie auch schon fast nervig. Egal was und wann es Anstand, er hat sofort mit Angst und Magenschmerzen reagiert. Anfangs habe ich noch sehr viel Rücksicht darauf genommen doch später habe ich mir gedacht, dass ich weder ihm noch mir einen Gefallen damit tue. Also kleine Aktivitäten, wie allein mit Janka vor die Tür gehen oder einen kurzen Einkauf im Netto, der sich direkt vor der Haustür befindet, gehörten dazu um ihn wieder ans „normale“ Tagesgeschehen heranzubringen.

Nach einer langen Weile des Stresses und der krassen Launen meines Exfreundes, durfte dann auch ich wieder Medikamente nehmen. Ich bekam „Cipralex Tropfen“ und nach einigen Tagen habe ich mir gedacht „Hey das wäre dann doch was für Mike, keine Tabletten die schwer im Magen liegen oder im Hals steckenbleiben könnten“ also schlug ich ihm das vor. Anfangs war er nicht sehr angetan von der Sache, weil er schon einmal Tropfen bekommen hatte und diese seinen Hals betäubten und er dadurch Panik bekam. Ich habe dann mit ihm gesprochen und gemeint, dass es dadurch aber „nur“ kurz einmal schlimm wäre und er nicht den ganzen Tag mit Angst herum laufen muss. Bei dem nächsten Termin mit seinem Psychiater sprach er das mit den Tropfen an. Er fand den Vorschlag nicht schlecht und schrieb Mike gleich 2 Fläschchen von den Tropfen auf.
Mike nahm diese erst einmal mit großer Beobachtung auf seinen Körper ein, als er jedoch bemerkte das nichts passiert, fiel es ihm gar nicht mehr so schwer die Tropfen zu nehmen. Er nimmt sie jetzt sogar freiwillig und schon fast gerne (naja so gerne wie man Medikamente halt nimmt) und seine Angst und Panik wird weniger, klar halte ich ihn immer noch zurück sich den Bauch bis zur Besinnung voll zu schlagen, jedoch kann er jetzt schon einiges mehr essen als vorher. Der bekloppte Exfreund ist nun auch endlich ausgezogen und es kehrt Ruhe und Ordnung in den Haushalt. Mike ist auf einem guten Weg der Besserung und schafft es auch einige Stunden und auch mal spontan alleine Zuhause zu bleiben.