Freitag, 8. März 2013

Angehörigen-Post (Wie erlebe ich die Krankheit aus meiner Sicht?) 1/4

Vorab:
Aufgrund der Umfrage war ja ziemlich schnell klar, dass hier bald ein paar Gastschreiben erscheinen werden.
Ich habe mir 4 Personen ausgesucht, die so ziemlich die gesamte Zeitspanne meiner Krankheit von Anfang an bis heute abdecken.
Stellt euch den Zeitverlauf meiner Krankheit als ein Jahr vor und jeder der Gast-Schreiber ist eine Jahreszeit. So begleiten sie mich ungefähr Stück für Stück.
Ich möchte die Posts in der Reihenfolge veröffentlichen, in der die Personen bei mir waren und welchen Zeitverlauf sie mitbekommen haben.
Sämtliche Posts sind unbearbeitet und ich bin nicht verantwortlich für den Inhalt, die Wortwahl oder sonstiges. (Außer korrigierte Rechtschreibfehler :P)
Hier nun zum ersten Post:

So, aufgrund der Bitte von Mike, ein Gastschreiben zu verfassen, habe ich mich mal drangesetzt.
Erstmal zu mir, ich bin Markus, inzwischen 21 Jahre alt und ein sehr guter Freund von Mike.
Wir waren beide zusammen auf einer Schule (Parallelklasse), seit – lasst mich lügen – guten 6-7 Jahren befreundet.
Wo dann die ersten Anzeichen seiner Krankheit anfingen habe ich das überhaupt nicht verstanden, so wie jeder andere auch.
Im Prinzip kann man sagen, ich war von Anfang an dabei, habe am ersten Tag der Krankheit auch seinen Bruder angerufen, damit er ihn ins Krankenhaus fahren kann.
Nach einigen Wochen, gar Monate Stress, konnte immer noch keiner sagen, woher das kommt oder was diese Anfälle sind. Ich glaube so ziemlich jeder Arzt und Krankenhaus wurde in der Umgebung aufgesucht, doch keiner wusste weiter.
Nach einer Zeit (ich kann mich nicht mehr genau erinnern), kam dann die Diagnose: Agoraphobie. Wo Mike es erzählte fing jeder an „ich kann dich verstehen, das tut mir leid – wie auch immer“.
Ich wusste überhaupt nicht was das war, hatte mit so etwas so ziemlich nichts zu tun gehabt. Aber auch wenn ich dann wusste, worum es geht, verstand ich trotzdem nicht, warum?
Ich glaube die Frage stellen sich heute immer noch viele. Warum trifft es ausgerechnet Mike? Daher muss ich auch sagen, habe ich viel Abstand von dieser Krankheit genommen.
Ich wusste nicht, wie ich helfen könnte, wenn Hilfe benötigt wird. Zum Anfang war ich innerhalb einer Minute bei Mike, wenn es ihm schlecht ging und er mich anrief.
Im Nachhinein war ich da und wir haben über Gott und die Welt gelabert, damit es zur Ablenkung kommt. Ein Satz von Mike „Und wenn du mir ins Gesicht schlägst – hauptsache ich hab Ablenkung“ Naja, dazu ist es nie gekommen.
Mit der Zeit kam dann der Umzug nach  Wuppertal, für uns teilweise ein Weltuntergang. Danach war nichts wirklich wie vorher. Doch mit der Zeit ging es Mike sogar in Wuppertal besser.
Ich freute mich auch darüber, auch wenn er nicht mehr im Dorf war,  Hauptsache es geht ihm gut. Trotzdem gab es so einige Besuche, da kam ich an meine Grenzen.
Seine Eltern waren nicht da, ich war praktisch der einzige, der ihm helfen konnte. Dann kam eine Panikattacke und ich stand da wie erstarrt.
Was soll ich tun? Reden? Was zu trinken anbieten? Wärmflasche machen? Gegen eine Tür laufen, damit er lachen muss? – Keine Ahnung. Ich bin so jemand, der nur auf Tatsachen reagieren kann.
Du Blutest – bekommst ein Pflaster (klar, wenn ein Arm ab ist, ist nichts mehr mit Pflaster, aber ihr versteht). Doch wie soll man bei so etwas reagieren?
Das große Pflaster war dann in der Regel eine Wärmflasche und ein Telefonat mit der Mutter. Mir war es aber trotzdem unangenehm, daneben zu sitzen und nichts zu machen. Ich wollte helfen. Doch einfach war es nicht.
Mike hatte von meinen Problemen mit dieser Phobie mitbekommen und redete auch mit mir. Er verstand, dass ich nicht wirklich eine gute Hilfe bin (nehme ich auch wirklich nicht übel).
Manchmal probierte er ja auch, mich anzuschreiben, wenn er Panik bekommt. Zwischendurch ging es ganz gut, aber naja, ich weiß nicht wie es auf der anderen Seite ausgehen hat.
Es folgten dann weitere Klinikaufenthalte, in denen Mike auch wirklich geholfen wurde. Sichtbar ging es ihm besser und es war auch kein Problem, dass er mal ein Wochenende bei mir pennen konnte.
Doch soweit ich mich erinnere, war das die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dann kam er in die Erwachsenen-Klinik und es wurde schlimmer (weiteres ist ja auf dem Blog zu lesen).
Da stand ich wieder in dem Konflikt, helfen zu wollen, doch keine Ahnung wie.
Es kam dann auch eine Freundin dazu, in der Psychiatrie kennengelernt (ich hoffe ich erinnere mich richtig). Naja, stempeln wir es einfach mal unter „Erledigt“ ab und fassen zusammen:
Mike ging es in der Zeit auch schon besser, trotzdem hatte er mit schweren Rücksschlägen zu kämpfen. Doch es ging weiter.
Dann kam die neue Freundin, mit der er jetzt in Paderborn wohnt. Ich finde es klasse, dass er eine Person gefunden hat, bei der es ihm gut geht.
Sie weiß auch wirklich, was bei  einer Panikattacke zu tun ist. Und mir wurde da bewusst, dass Mike auf einem guten Weg ist. Früher hat ihn nur seine Mutter beruhigen können, jetzt kommt er soweit selbständig oder mit Hilfe der Freundin aus.
Im Großen und Ganzen kann ich glaube ich ehrlich sagen, für Mike war meine größte Hilfe, einfach nur weiter mit ihm befreundet zu sein. Seine Krankheit mal ganz außen vor, ich glaube der Umzug nach Wuppertal war ziemlich heftig – für uns alle.