Montag, 3. Juni 2013

Angst Tagebuch#030

Es war die schlimmste Woche bisher.
Meine Eltern sind letzten Montag nach Holland gefahren und machten dort Urlaub bis Freitag.
Somit fiel mein sicherstes Fangnetz für mich aus. Aber Gott sei Dank, dass meine Freundin viel Zeit für mich hat und sich um mich kümmern konnte.
Dachte ich zumindest...
Am Dienstag änderte sich aber plötzlich ALLES. Meine Freundin wurde von der Arbeit nach Hause geschickt und ich wurde damit beauftragt sie in's Krankenhaus zu fahren wegen Herzstichen und Kurzatmigkeit.
Obwohl ich keinen Führerschein hatte, habe ich sie auf den Roller gesetzt und sie dann zur Notfallambulanz gebracht.
Wir wurden nach einem kurzen EKG erstmal wieder nach Hause geschickt mit den Worten: "Ist schon nichts schlimmes."
Die Nacht darauf wurde es immer und immer schlimmer bei ihr und wir sind dann den Mittwochabend wieder in's Krankenhaus. Dieses mal wurden wir von Arthur (Mitbewohner) hingefahren.
Ein paar EKG Streifen, Blutentnahmen und langweiligen Wortwitzen stand dann fest, dass sie über Nacht bleiben sollte.
Ich wurde sehr stark nervös, da ich somit so gut wie alleine zuhause bin und meine festen Bezugspersonen ALLE nicht erreichbar waren.
Ich musste mir jede kleine Option frei halten, die mir minimale Sicherheit gewährleisten könnte.
Meine Tante wurde gefragt, ob sie für telefonische Notfälle erreichbar wäre, Markus konnte mich am Donnerstag abholen, sodass ich nicht all zu alleine bin und ich dann weniger Stress habe. Es war nämlich eigentlich ein Gamerwochenende mit den Gildenleuten geplant und er hat mich dann schon mal einen Tag vorher zu sich geholt um mich abzulenken.
Hat mir richtig den Arsch gerettet!
Ich habe in der gesamten Zeit meine Bedürfnisse auf ein Minimum beschränkt. So gut wie nichts essen, wenig trinken und möglichst unangenehme Gerüche vermeiden. 
Wenn ich meinen Körperbefinden nicht verändere, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Panikattacke eintrifft.
Am Samstag wurde meine Freundin dann doch aus dem mehr oder weniger kompetenten Krankenhaus entlassen und ich war etwas erleichtert, da sie zu Markus nachkommen wollte und mich dann am Sonntag wieder mit nach Hause nehmen wollte.
Doch so leicht war der Samstag dann auch wieder nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Sie kam erst im späten Nachmittagsbereich und der Schleim in meinem Hals machte mir den ganzen Tag zu schaffen.
Um den Hals nicht noch weiter zu belasten habe ich nicht gefrühstückt und auch nur Wasser in kleinen Mengen getrunken. Ich stellte mich unter die Dusche und habe mich vorerst mit eiskaltem Wasser abgeduscht um mich nicht gedanklich auf den Super GAU vorzubereiten. Dann das Wasser Stück für Stück wärmer gemacht um den Temperaturwechsel zu spüren. 
Das schöne an der warmen/heißen Dusche ist, dass der Schleim sich im Hals löst und ich ihn dann ausspucken kann, da mein ganzer Mund- und Halsraum komplett "feucht" *hihi* ist.
Am Abend haben wir uns mehr oder weniger dafür entschieden in's Kino zu gehen. Es war eher ein Vorschlagen von jemanden und jemand anders hat zugestimmt. Also haben diese 2 begeistert die Aktivität der 7 köpfigen Gruppe bestimmt :D.
An sich ja völlig ok, dass wir dann auch rausgehen und was machen. Nur für mich war es dann wieder ein Beklemmungsgefühl im Kino. 1 1/2 h dazu verpflichtet einen Film zu sehen. Ich kann nicht einfach raus, das Fenster aufmachen oder sonst wie reagieren, sollte Panik ausbrechen.
Die einzige Möglichkeit, die mir blieb, war pures unterdrücken. Jegliches Gefühl von Unsicherheit und Angst wurde direkt mit Wut und Zorn unterdrückt.
Eine sehr effektive Methode. Auch bekannt als Zweischneidiges Schwert. Es funktioniert zwar gut die Angst zu unterdrücken und sich auf ein anderes Gefühl zu konzentrieren, aber dieses Gefühl nährt sich von Wut, Zorn und Hass und wird größer. Von Sekunde zu Sekunde spüre ich Mr Hyde wachsen und ich fühle mich anders als sonst.
Das Gefühl ist selbst jetzt noch da und ich weiß nicht wie ich es wieder so schnell los werde, da gute Grundnahrung bereits in den Wochen davor gesammelt wurde.
Es fing damit an, dass ich wieder weniger mit anderen Menschen in einem Raum sein konnte und dass Unterhaltungen von Gesicht zu Gesicht unangenehm und anstrengend wurden.
Noch viel unangenehmer wurde es, wenn man mich darauf auch noch in dieser Situation angesprochen hat und versuchte es zu verstehen.
Dabei gibt es eine einfache Erklärung:
Menschen sind scheiße und man darf ihnen nicht trauen, wenn sie dir nicht direkt sagen, was sie an dir scheiße finden.
Die einzigen Personen die ich akzeptieren kann und wo ich nichts schlechtes dran finde, sind die, die nichts von mir haben können und mich dennoch kritisieren und danach normal mit mir umgehen können.
Seit ich Sonntag mittag wieder mit meiner Freundin zuhause bin stürzt die ganze Belastung der letzten Woche auf einmal auf mich ein und ich fühle mich dreckig. Nicht so dreckig, wenn man nen Schnupfen hat, sondern RICHTIG DRECKIG.
Ich bin nicht in der Lage so schnell zu denken und zu agieren, wie ich es von mir gewohnt bin, ich bin durchgehend müde, ich kann kaum reden, Paniken kamen heute mehrfach im 10Minuten takt erneut hoch, sitze apathisch in der Ecke und nehme nichts um mich herum wahr.
Ich bin einfach im Arsch und ich hoffe, dass es sich durch ein paar Tage Ruhe und soziale Isolation wieder richtet.
Auch wenn das Wochenende so anstrengend und schwer war, war es dennoch schön die Gesichter nochmal sehen zu können.
Bis zum nächsten mal...


(Grün geschriebenes beschreibt an dieser Stelle das typische Sicherheitsverhalten einer Angstneurose. Möglichst gute Vorbereitung zur Verhinderung/Verringerung des Worst Case)