Dienstag, 18. Dezember 2012

Klinikzeit Part 2

Es dauerte keine 4 Wochen, nachdem ich aus der KJP (Kinder-&Jugendpsychiatrie) entlassen wurde, und ich befand mich wieder in einer Klinik.
Da ich mein 18. Lebensjahr erreicht hatte war, nach eigener Aussage, die KJP nicht mehr für mich zuständig.
Dieses mal befand ich mich dann in der "normalen" Klinik für Erwachsene.
Ich war vorerst sehr skeptisch, weil ich dachte, dass die meisten Patienten vom Alter her meine Eltern sein könnten und ich so keinen Anschluss finden könnte und ich so eine sehr anstrengende und einsame Zeit vor mich habe.
Alles Unfug.
Ich kam auf ein Dreibettzimmer mit 2 anderen jungen "Männern" in ungefähr meinem Alter.
Besser hätte es nicht sein können. Wir haben uns super verstanden, Unfug getrieben und uns gegenseitig gestützt.
Es war ein großes Klinikgelände, was mich sehr einschüchterte, denn es war schon eine Angstübung an sich, dieses Gelände zu erkunden und es "für sich zu gewinnen" und sich dort wohl zu fühlen.
Ich hatte am ersten Tag direkt ein Gespräch mit meiner Therapeutin, die sich von mir erklären ließ, wie meine letzten Monate aussahen und warum ich nach ca 4 Monaten Aufenthalt in der KJP kaum Fortschritte gemacht habe.
Sie war entsetzt und erklärte mir, wie man es eigentlich hätte angehen müssen und fing auch direkt mit mir an.
Anfangs haben wir die Angstübungen zu zweit gemacht, damit ich ein gewisses Gefühl dafür bekomme, wie ich mit Angstsituationen, körperlichen Symptomen und mit meinen eigenen Gefühlen umgehen muss.
Außerdem diente das gemeinsame auch dem Zweck das Patienten-Therapeuten Verhältnis/Vertrauen zu stärken.
Wir fingen langsam an mit "einfachen" Übungen wie zum Beispiel Fahrstuhl fahren etc und steigerten uns langsam.
Auch das Pflegerpersonal war sehr nett, zuvorkommend und vertrauenswürdig.
Es war einfach so angenehm dort zu sein, Freiheiten zu haben und einen sogenannten Wochenplan (Wie nen Stundenplan in der Schule) zu bekommen und Tagesroutine zu gewinnen.
Das Umfeld, die Mitpatienten und die Therapie haben mich gestärkt. Sogar so sehr, dass ich anderen mit ähnlichen Problemen helfen konnte. Auch förderlich war die "Gruppentherapie", in der die Patienten die Themen selbst bestimmen und versuchen sich selbst und gegenseitig mit Tipps zur Seite zu stehen.
Das Prinzip "Eine Hand wäscht die andere" ist produktiv gewesen.
In diesen 6 Wochen war ich so motiviert, dass es sehr gut lief. Ich habe mit Freude an Angstübungen teilgenommen und sie selbst bestimmen können und auch gerne mal länger gemacht als eigentlich abgesprochen.
Leider waren die Abendstunden nicht die spannendsten, weswegen ich mich nach Hobbies ausschauen halten musste. Ich habe aus "Verzweiflung" sogar ein ganzes Buch gelesen und häkeln gelernt.
Mal ein schönerer Zeitvertreib als nur vorm PC zu sitzen (und sowas schreibe ich online...-.-).
Ich konnte wieder normal essen, trinken, busfahren und einkaufen. Zumindest für meine Verhältnisse.
Es war zwar nicht Angstfrei aber es war nicht mehr alles automatisch mit Aggressionen, Panik und Pessimismus gefüllt.
Es ging mir ein ganzes Jahr sehr gut.
Und dann kam der Einbruch.
Ich habe mich entschlossen meinen Realschulabschluss auf der Abendschule (Volkshochschule) in Wuppertal nachzuholen, was ein Jahr harte Arbeit bedeutete.
Und wie das dann auch so ist, war eine Klassen-/Kursfahrt geplant. Ziel: Paris...
Eine Stadt in einem Land, in dem ich die Sprache nicht spreche, verstehe oder auch nur irgendetwas weiß.
Das hat mich stark zurückgeworfen. ich verfiel in alte Verhaltensmuster.
Ich habe in den drei Tagen nur getrunken, weil ich wieder fürchterliche Angst hatte mich zu übergeben und dann hilflos im unbekannten Gebiet zu sein...
Mit dem einen "Sicherheitsverhalten" (Selbstschutz von Angstpatienten um den Worst Case vorzubereiten oder Panik zu verhindern) erschien wieder mein ganzes Verhaltensmuster.
Mit der Fahrt nach Paris nahm ich die Einfahrt in den Teufelskreis der Angst und war nicht mehr in der Lage mich selbstständig daraus zu befördern.
Also hieß es erneut Klinik. Dieses mal präventiv um nicht wieder völlig der Angst zu erliegen.
Dieses mal war der Aufenthalt nicht so angenehm wie beim ersten Mal.
Lag wahrscheinlich unter anderem auch an zu hohen Erwartungshaltungen aber auch an der Art und Weise der Station.
Meine Therapeutin war nicht mehr da und ich musste mich mit einer in der Ausbildung befindlichen Psychologin begnügen.
Jedoch wusste sie nicht ganz so viel über Angst und Panik und gab mir deswegen nur Papiermaterial wie ich mit Ängsten umgehen soll etc. Alles alte Geschichten, schon gesehen, schon gehört, schon erlebt.
Ich fühlte mich nicht sehr wohl. Es gab niemanden (bis auf eine Person...) der mir dort Halt oder Sicherheit geben konnte.
Von jedem Personalmitglied hörte ich den Satz "schon wieder hier?".
Ich habe ja auch "nur" ein Jahr ohne Hilfe ausgehalten <.<
Das Team wurde gröber und ging nicht mehr so intensiv auf die Patienten ein, wie im Jahr davor.
Einmal hatte ich nach dem Essen eine Panikattacke mit ganz neuen Symptomen, weswegen ich nur noch mehr Angst hatte und ich beinahe vollkommenen Realitätsverlust erlitt und in so einer Situation wurde ich mit den Worten "Sie kennen sich doch so gut mit angst aus, das schaffen Sie schon." weggeschickt und mir wurde gesagt, ich solle doch mal runter gehen und den Kräutergarten umgraben. WAS ZUR HÖLLE???
Das war für mich der ausschlaggebende Punkt, mich in der Woche darauf selbst zu entlassen.
Ich habe an diesem Punkt sämtliches Vertrauen in Therapie, Kliniken und Therapeuten verloren.
Der altbekannte Zorn und die Wut auf die Welt kamen wieder.
Ich habe mich gegen alles gesträubt, was mir von außerhalb "Hilfe" anbieten wollte.
Ambulante Verhaltenstherapie (0-8-15 Therapie bei Angststörungen) habe ich abgebrochen, Ergotherapie abgelehnt und selbst die Medikamente habe ich verwehrt.
Ich steckte mir eigene Ziele, die ich erreichen wollte und bestimmte das Tempo. Wenn mir jemand Tipps oder Vorschläge von außen geben wollte, gab es zu 90% eine Diskussion deswegen.
Ich schotterte mich ab und fühlte mich einsam. Ich wollte Hilfe aber nichts konnte man mir recht machen. Ich war ein lebendes Paradoxon.
Aber irgendwann lernte ich damit umzugehen und ließ mich dazu überreden wenigstens wieder die Medikamente zu nehmen.

Mein eigenes Fazit:
Ich kann Kliniken und Therapie nicht leiden und werde sowas auch nicht mehr beanspruchen, aber ich denke, dass es eine sehr gute Lösung für Menschen in großer Not und Verzweiflung sen kann und auch in Anspruch genommen werden sollte. Leider ist das aber nicht meine Lösung.

"Die Klinik ist für mich zwar kein schöner Ort an dem ich immer sein möchte aber sie ist eine rettende Insel" (Bella Aschoff  www.bella-luna-tic.blogspot.de)